Die Kontroverse um die Interim Management Provider
Kürzlich wurde ich von einem renommierten Interim Management Provider für ein Mandat angefragt. Das Mandat tönte sehr spannend, aber auch recht herausfordernd: CEO von mehreren hundert Mitarbeitern, internationale Reisetätigkeit, High-Tech Umfeld, M&A.
Alles hätte super auf mein Profil gepasst, bis auf den Tagessatz. Der Provider bot mir für dieses Mandat den gleichen Tagessatz, den ich im Jahr 2008 bei meinem ersten Mandat erhalten hatte (damals auch über einen Provider). So als ob meine gesamte Interim Management Erfahrung der letzten 16 Jahren nichts wert wäre. Unterdessen habe ich mich weiterentwickelt, 18 Mandate erfolgreich abgeschlossen, ein zusätzliches Masterprogramm absolviert, etc.
Das Angebot gegenüber dem Endkunden beinhaltete aber selbstverständlich die übliche Provision von 35%, welche der Provider für sich selbst beansprucht. Der Endkunde bezahlt also weiterhin einen überteuerten Preis, von dem der Interim Manger (der die Leistung tagtäglich erbringt) jedoch wenig sieht.
Diese Erfahrung bringt mich doch ein wenig ins Grübeln. Ich bin nun seit fast 20 Jahren als Interim Manger unterwegs, war im Vorstand das DSIM (Dachverband Schweizer Interim Manager) und habe es mir zur Aufgabe gemacht, Neulinge im Interim Management zu coachen. Ich kenne viele der Provider persönlich und freue mich immer wieder auf einen konstruktiven Austausch rund um das Thema Interim Management.
Einerseits anerkenne ich die Provider als festen Bestandteil des Interim Management Marktes, andererseits frage ich mich immer mehr, wo bei diesem Business Modell der Mehrwert für den Kunden liegt.
Das Hauptargument der Provider für ihre überhöhten Preise gegenüber deren Kunden liegt im Versprechen «handverlesene» Profile präsentieren zu können. Aber auch hier hatte ich gerade kürzliche wieder eine Anfrage eines Providers aus der UK, der über LinkedIn Profile abtelefonierte, die effektive Aufgabe des Mandats aber (aus meiner Sicht) nicht wirklich verstanden hatte. Wie soll sich der Interim Manager hier gegenüber dem Endkunden profilieren können, wenn seine Kompetenzen nicht richtig verstanden und vertreten werden?
Viele meiner erfolgreicheren Kollegen bieten ihre Leistungen aus diesem Grund nicht mehr über Provider an, sondern akquirieren selbst am Markt. Dies ist anfänglich mühsamer, doch wenn man kontinuierlich eine gute Leistung erbringt und sich einen Namen macht, findet man auch auf diesem Weg über das eigene Netzwerk spannende Mandate. Warum sollte man also als kompetenter Interim Manager auf 35% seines Tagessatzes verzichten und sich von Providern vertreten lassen, welche seine Kompetenzen nicht wirklich würdigen und weitergeben können? In den meisten Fällen sind das (wie ich im 2008) Neueinsteiger, die über diesen Weg zu ihrem ersten Mandat kommen. Oder es sind Interim Manger, welche aufgrund deren Bereitschaft auf 35% des Tagessatzes zu verzichten von den Providern gegenüber dem Endkunden gepusht werden. Ob der Endkunden (um den es hier ja schlussendlich gehen sollte) damit die richtige Kompetenz für sein Mandat erhält, stelle ich hier in Frage.
Einige Endkunden haben unterdessen die Problematik verstanden und füllen ihren Bedarf durch eine Direktsuche über Internet/LinkedIn, oder indem sie einen der nationalen Dachverbände kontaktieren. Das bedarf ggf. ein wenig mehr Zeit, jedoch erhält man die Leistung von der Quelle und hat direkt den Kontakt zum späteren Leistungserbringer (ohne Umweg über Blindprofile, etc).
Ich bin froh, dass ich mir in den letzten 16 Jahren ein eigenes Netzwerk von Partner und Kunden aufbauen konnte, welche meine Leistung würdigen und mich auch für diese gerecht entlöhnen. Wenn 100% der Entlöhnung mir zufällt, bin ich auch gerne bereit 100% (oder mehr) zu leisten. Fair ist fair.
Ich möchte hier nicht pauschalisieren und auch niemandem an den Karren fahren. Es gibt durchaus korrekt arbeitende Provider, welche auch für den Interim Manager eine Win-win Situation erarbeiten und die Kompetenz haben, den Endkunden kompetent zu beraten. Leider werden dies aus meiner Erfahrung aber immer weniger.
Kommentare sind geschlossen.